Erlebnis Fliegen in Dübendorf / Ein Ort der Begegnung

Cockpit im Wandel der Zeit -Teil 1

 

 

Etymologie

 

 

Ursprünglich stammt der Begriff „Cockpit“ aus dem 16. Jahrhundert, worunter man damals eine Grube verstand, in der blutige Hahnenkämpfe ausgetragen wurden.

Später, im 18. Jahrhundert, fand die Bezeichnung Eingang in die Seefahrt und wurde von der Royal Navy verwendet – als Terminus, der den Platz des Steuermanns mittschiffs benannte. Von hier aus erreichte er ab Beginn des Ersten Weltkriegs die Luftfahrt und wurde ab 1930 auch für Rennautos übernommen.

Heute versteht man in der Aviatik unter „Cockpit“ den Arbeitsplatz des (der) Piloten, in der Verkehrsfliegerei wird auch der Ausdruck „Flight Deck“ verwendet. „Hahnenkämpfe“ sollten dort übrigens nicht mehr stattfinden.

 

 

Hahnenkampf in London um 1800

 

Geschichte

 

Ob die Arbeitsplätze der ersten Flieger Otto Lilienthal in den 1890er Jahren, der mittels seiner Arme in Lederschlaufen an seinem Gleiter hing, oder der Gebrüder Orville und Wilbur Wright anfangs des 20. Jahrhunderts, wo der Pilot auf dem Bauch auf der unteren Tragfläche deren Doppeldeckers lag, bereits als „Cockpits“ zu bezeichnen sind, ist wohl Ansichtssache. Immerhin waren dies die Arbeitsplätze der damaligen „Steuermänner“.

 

 

Otto Lilienthal in der Nähe von Anklam D

 

 

Orville und Wilbur Wright mit ihrem „Flyer“ in Kitty Hawk NC USA

 

 

Cockpit als Ort der Schnittstelle Mensch – Maschine (human – machine interface)

 

„It is the human-machine interface that enables the pilot to use his senses, brain and movements to control a complex machine in an environment to which human beings are not naturally accustomed“

 

Der obige Satz umschreibt die Vorgänge im Cockpit sehr zutreffend. Im Laufe der Jahre nahm die Komplexität der «Maschine» je nach Zeitabschnitt (z.B. während Kriegen) extrem zu, auf der anderen Seite der Schnittstelle blieb der Mensch in seinem Grundkonstrukt stets derselbe und war gefordert, sich mit seinen Fähigkeiten dauernd den steigenden Anforderungen anzupassen, um mit den Entwicklungen Schritt halten und stets die Kontrolle über das «technische Monster Flugzeug» behalten, es beherrschen zu können. Und dies im dreidimensionalen Raum, in einer Umgebung, an die sich der Mensch nicht natürlicherweise gewöhnt war und ist.

 

In den Anfangsjahren der Fliegerei handelte es sich beim „Fliegen“ in der Praxis um eine reine Gefühlsangelegenheit. Die Sinnesorgane Augen und Ohren, sowie der Tastsinn waren entscheidend für die Kontrolle des Piloten über sein Flugzeug. Die Einhaltung des korrekten Flugzustandes bedeutete die elementarste und schwierigste Aufgabe des Piloten, da die Flugzeuge bis 1911 flugmechanisch nicht stabil konzipiert waren. Dies hatte zur Folge, dass jede Störung wie Wind, Böen oder Thermik durch den Piloten reaktionsschnell und dosiert korrigiert werden musste, was besonderes Feingefühl erforderte, um nicht zu „übersteuern“, damit das System aufzuschaukeln und  das Flugzeug schlimmstenfalls zum Absturz zu bringen. Die Kontrolle über das Flugzeug erfolgte rein mechanisch, manuell und in der Regel – mit wenigen Ausnahmen – über „stick and rudder“ (Steuerknüppel und Ruder). Vgl. auch unten: „Steuerungssystem Louis Blériot“.

 

Spätere Flugzeuge waren flugmechanisch stabil ausgelegt, gleichbedeutend mit deren eigenem Bestreben, in einen stabilen Flugzustand zurückzukehren. Nun waren artistengleiche Fähigkeiten der Piloten nicht mehr ausschlaggebend, um ein Flugzeug unter Kontrolle behalten zu können.

 

Die obenerwähnten Sinnesorgane des Piloten bedeuteten gleichsam die ersten „Instrumente“ im Cockpit. Das Auge schätzte die Flughöhe, die Entfernung zu Hindernissen und beurteilte das Wetter. Das Ohr überwachte das Motorengeräusch bezüglich Rundlaufs und die durch Spanndrähte, Streben, Fahrwerk und andere Bauteile verursachten Fahrtgeräusche.  Da die Cockpits einer „offenen Kabine“ entsprachen, boten sie 360° Rundumsicht, was der Überwachung des Flugzustandes sowie der Navigation zugutekam.

 

Der Gleichgewichtssinn erlaubte nebst der optischen Information zusätzliche Rückschlüsse auf die Fluglage, mindestens so lange keine größeren Beschleunigungen auftraten, die rasch zum Verlust des räumlichen Bezugs zu den Erdkoordinaten führte. Der Tastsinn erwies sich als nützlich hinsichtlich Abschätzung der Fluggeschwindigkeit aufgrund des Winddruckes.

 

 

 

 

 

Sinnesorgane Auge, Ohr

 

 

 

Tastsinn: Berührungs-, Druck- und Schmerzrezeptoren in der Haut

 

 

Instrumente im Cockpit

 

Bei den ersten Instrumenten, die von den Wrights eingesetzt wurden, handelte es sich um einen Drehzahlmesser, ein Anemometer und eine Stoppuhr. Eine Schnur, oder ein kleines Stück Stoff zeigte das Schieben im Kurvenflug an und war möglicherweise das erste „Instrument“, das speziell für das Fliegen entwickelt worden war. Andere Instrumente stammten aus Schiffs-, Maschinen-, Lokomotiv- oder Automobilbau bzw. Meteorologie und wurden erst später für die Verwendung in Flugzeugen adaptiert und weiterentwickelt.                                                                                                                                   

 

Es kam die barometrische Höhenmessung hinzu, Kompasse wurden eingebaut, wobei deren Funktion durch Anlassmagnete und grössere Metallteile starken Störungen unterworfen war (Deviation). Spezielle Luftfahrtkarten fanden Verwendung (Lambertsche Schnittkegelprojektion).

 

Einfache Stauscheiben-Fahrtmesser wurden entwickelt, da die Bedeutung der Fluggeschwindigkeit als essenziell erkannt wurde, um einen Strömungsabriss (Stall) zu vermeiden. Aus dieser Zeit stammt der elementare Flieger-Leitsatz: „Geschwindigkeit ist das halbe Leben“. Es folgten später raffiniertere Geräte mit Differenz-Druckmessung (Pitotrohre, Venturidüsen).

 

 

Stauscheibenfahrtmesser 1914

 

Einen wegweisenden Einfluss auf das Cockpit-Design hatte Louis Blériot (Patent 1908), als er ein Steuerungssystem mit einem Steuerhebel(-knüppel) konstruierte, der über ein Kardangelenk die Bewegung der Steuerflächen kontrollierte (Längs- und Querachse). Über Ruderpedale wurde das Seitenruder angesteuert. Ein kleines, oben auf dem Steuerknüppel angebrachtes „Lenkrad“ hatte keine Steuerungsfunktion, sondern diente lediglich dem besseren Handling (hohe Steuerkräfte!).

 

 

Cockpit Blériot XI

 

vgl. dazu auch Artikel gazette-online : «Entwicklung der Flugzeug-Steuerungssysteme» von Rudolf Wicki (14.10.21)

 

Die offenen Cockpits boten wie schon erwähnt, den grossen Vorteil der Rundumsicht, das Auge war in dieser Entwicklungsphase das primäre Kontrollinstrument. Dies in Bezug auf die Fluglage, als auch bei der Navigation anhand des Horizontes durch Bildung einer geistigen Referenzlinie und durch Bodenmerkmale (Eisenbahnen, Städte, Gewässer etc.).  Als Referenz dienten Karten und daraus leiteten sich die Kurskorrekturen ab.

 

Geschlossene Cockpits wurden erst eingeführt, nachdem die Einsatzhöhen 20’000 ft überschritten hatten (Hypoxie). Vorgängig wiesen die Flugzeuge als minimalen Pilotenschutz kleine Windschutzscheiben auf, die bei Militärflugzeugen Markierungen, wie z.B. Visiere, aufwiesen. In diesen Höhen waren schwere, pelzgefütterte Lederkombis, Stiefel (teilweise beheizbar), Handschuhe, Pelzhauben und Schutzbrillen unabdingbar – es lauerten Eiseskälte und Sauerstoffmangel.

 

 

 

Die Anordnung der Bedienungselemente ging in Richtung Standardisierung, so wurde aufgrund der überwiegenden Rechtshändigkeit beim Menschen in der Regel die Anordnung «Rechte Hand am Steuer, linke Hand am Gas» umgesetzt. (HOTAS – hands on throttle and stick – bereits damals)

 

Kommunikation

 

Bei Militärflugzeugen spielte schon sehr früh die Kommunikation zwischen Flugzeug und Boden eine  wichtige Rolle.

Guglielmo Marconi gelang 1895 die erste Funkverbindung mit einem «Knallfunken»-Sender (Hochfrequenz) und drahtloser Übermittlung von Morsezeichen über eine Distanz von 6km, 1901 bereits die erste Funkverbindung über den Nordatlantik zwischen Europa und Nordamerika!

 

Erste, im Flugeinsatz verwendete Funkgeräte waren gross, enorm schwer (40kg+…) und benötigten eine lange ausfahrbare Schlepp-Antenne, die vor der Landung eingezogen werden musste. Dies wurde oft vergessen, was in Flugplatznähe zu deren Hängenbleiben an Bäumen, Hausdächern und in Gärten führte…Bis nach 1918 hatte ausserdem die Funk-Verwendung aufgrund mangelhafter Geräteleistung noch weitgehend experimentellen Charakter und war noch nicht wirklich brauchbar. Dies galt nicht für Bodenfunk und die Seefahrt.

 

Der Nutzen des Flugzeugs als Kriegsgerät wurde kurz vor dem Ersten Weltkrieg erkannt. Mit Kriegsbeginn 1914 nahm die Entwicklung der Flugzeuge fast exponentiell Fahrt auf. Nie zuvor waren Flugzeuge in derart grossen Mengen produziert worden. Erfahrungen unzähliger Piloten flossen in die Entwicklungen ein. Es setzte sich allgemein die Blériot’sche Zugpropeller- gegen die Canard-Pusher (Druckpropeller)-Bauweise durch.

 

Anfänglich beschränkte sich der militärische Einsatzbereich vorwiegend auf die Aufklärung.

 

Zu Beginn des Krieges war die Doppeldecker-Bauweise die vorherrschende Konstruktionsart, die  Cockpits waren 1- oder 2-sitzig (Beobachter/Schütze) meist in Tandemanordnung (vgl. obiges Schema). Fokker und Sopwith produzierten auch Dreidecker: «Dr.I», bzw. «Triplane» (Zitat Manfred v. Richthofen, der «Rote Baron» zu den Dreidecker-Flugeigenschaften: «Wendig wie die Teufel und klettern wie die Affen…») Dafür waren aufgrund höheren Luftwiderstandes die Dreidecker etwas langsamer.

 

Zur Verbesserung der Wendigkeit wurden Jagdflugzeuge wieder relativ unstabil konstruiert (Fokker). Flugmechanisch stabile Konstruktionen dienten als Bomber, aus denen anfänglich durch zusätzliche Besatzungsmitglieder die Bomben von Hand abgeworfen wurden. Wegen begrenzter Nutzlast waren die Cockpits sehr leicht konstruiert – unterschieden sich kaum vom Vorbild der Blériot XI – und boten keinen wirklichen Schutz für den Piloten. Sie waren klein (Luftwiderstand) und unbequem.

 

Ergonomie spielte keine Rolle, existierte noch nicht als Begriff. Priorität hatte die Leistungsentwicklung der Flugzeuge. Auch waren die Steuerkräfte enorm, es existierten noch keine technischen Hilfsmittel zur Reduktion derselben. Erste Beckengurte gelangten zur Anwendung, um ein Herausfallen der Piloten im Rückenflug zu verhindern.

 

 

Fortsetzung folgt!

 

 

Text: Dr. med. Theodor Huber

 

 

Quellen: 

 

M.J. Schuivens (Historische Entwicklung der Cockpitinstrumentierungen), L.F.E. Coombs (Fighting Cockpits), Wikipedia, Thales Cockpits

 

Abbildungen und Fotos: Archiv Fliegermuseum, L.F.E. Coombs (Fighting Cockpits), Leydhecker (Augenheilkunde), Boenninghaus (ORL), Internet, Wikipedia

 

 

 

 

 

 

Autorenprofil Dr. med. Theodor Huber

 

Einen Steinwurf vom Flugplatz Dübendorf entfernt aufgewachsen, erlebte er hautnah die Nachkriegsmilitärfliegerei mit Übergang von der Propeller-Ära ins Jetzeitalter. Haftengeblieben aus dieser Zeit sind die kernigen Motorgeräusche der Mustangs, Moranes und C-36, ausserdem die ungewöhnlichen Segelflugzeugschulungen, womit die Piloten an die vorneliegenden Cockpits der neuen Vampires gewöhnt werden sollten und natürlich das pfeifende Geräusch dieser ersten Strahlflugzeuge. Geflogen wurde an allen Werktagen und dies sehr intensiv. Fluglärm war damals kein Thema. Für den Gemeindepräsidenten war er «Musik in den Ohren»…

 

Flugzeuge blieben immer ein Dauerthema, wenngleich der berufliche Weg in eine andere Richtung führte. Medizinstudium in Zürich, Facharztausbildung in Innerer Medizin und spätere Chefarzttätigkeit in Innerer Medizin an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich folgten. Wissenschaftliche publizistische Tätigkeit, vor allem im Bereich Neuropsychopharmakologie und Brain Imaging. Nach der Pensionierung 7 Jahre am Airport Medical Center des Flughafens Zürich tätig, u.a. flugmedizinische Thematik.

 

Militärhistorische, aviatische Studienreisen in verschiedene Länder des Westens und Ostens.1979 Delta-Flugausbildung und 30 Jahre fliegerisch aktiv, davon ein wesentlicher Anteil hochalpin.

 

Seit 2019 Verfasser von Gazette-Artikeln mit verschiedenen Inhalten.

 

 

 

 

 

Verschiedene Anordnungen von Pilot, Schütze/BeobachterZug- und Druckpropellerbauweise