Teil 2
Eine Bewaffnung mit in der Regel 1-2 Maschinengewehren kam hinzu, die vom Piloten bedient werden musste, falls nicht in einem 2. Cockpit ein Beobachter/Schütze mit an Bord war. Dies bedeutete Eskalation der Mehrfachbelastung des Fliegers, schliesslich sollte ja auch der Feind noch getroffen werden…
MG-Anordnung
Cockpit-Ausstattung eins einsitzigen Jagdflugzeugs
Vickers Virginia Bomber mit Schützen in Front- und Heckstand
Da nun viele Piloten im Einsatz standen, die ständig wechselten, war eine Vereinheitlichung der Cockpitgestaltung unumgänglich geworden.
Es wurden Mindestausrüstungslisten für die Instrumentierung erstellt.
1917 umfasste diese (RAF): Höhenmesser, Fahrtmesser, Magnetkompass, Neigungsmesser, Luft- und Oeldruckanzeige, Treibstoffmengenanzeige, Kühlwassertemperaturanzeige, Drehzahlmesser und Uhr.
Neu kam die Anforderung hinzu, dass auch ohne Sicht (in Wolken) die Fluglage konstant gehalten und jederzeit beurteilbar bleiben musste. Mit der Entwicklung dafür tauglicher Instrumente war die Luftfahrtindustrie daraufhin zwei Jahrzehnte lang beschäftigt. Mit der rasch zunehmenden Leistungsfähigkeit der Flugzeuge, damit verbundener Komplexität von Instrumentierung und zu bedienender Systeme, insbesondere auch von Waffen, stiegen die Pilotenanforderungen extrem an.
Dies hatte unter anderem auch mit der Tatsache zu tun, dass die Bedürfnisse der Piloten keinen Eingang bei der Cockpitgestaltung fanden, die Ergonomie hatte ihre Geburtsstunde noch nicht erlebt. Das «Multitasking», also die Herausforderung, verschiedene Aufgaben gleichzeitig, oder in ganz kurzen Abständen erledigen zu können, jedoch war Tatsache geworden und überforderte nicht wenige Flieger. Aufgrund stark ansteigender Unfallraten wurde nach dem Krieg die Notwendigkeit einer flugmedizinischen /flugpsychologischen Pilotenselektion erkannt und umgesetzt, die Flugmedizin als eigenständiger Berufszweig etablierte sich (vgl. auch Artikel Militärpilotenselektion Gazette 2023).
Der «Human factor» wurde in seiner entscheidenden Wichtigkeit erkannt.
Nach Kriegsende 1918 stand eine grosse Anzahl von Flugzeugen zur Verfügung, für die kein unmittelbarer Verwendungszweck mehr bestand. Im Cockpitbereich sah es ausser der stark gestiegenen Zahl an Instrumenten und Bedienungselementen prinzipiell noch gleich aus wie bei Kriegsbeginn, was die Arbeitsbedingungen der Piloten anbetraf (Sitzkomfort, Schutz des Piloten, Handhabungserleichterungen, Sichtverhältnisse etc.).
Es fand nun eine Umnutzung dieses Flugzeugüberschusses, zumindest geeigneter Typen, für den zivilen Bereich statt, was bauliche Anpassungen erforderte, die teilweise auch die Cockpitgestaltung mitumfasste. Verschiedene, für die Nachkriegszeit typische preisträchtige Geschwindigkeitsrennen wie die berühmte Schneider Trophy trieben zwar die technische Entwicklung voran, was aber nicht den Cockpits zugutekam, da diese bei den Rennflugzeugen aus Luftwiderstandsgründen möglichst klein sein mussten. Auch die vom Amerikaner Charles Lindbergh 1927 zur Einmann-Nordatlantiküberquerung von New York nach Paris verwendete Ryan NYP «Spirit of St. Louis» hatte aus aerodynamischen Gründen nur ein kleines Cockpit mit einem Korbstuhl und ohne Frontfenster, da dort der Tank platziert war. Die Sicht nach vorne war nur durch ein kleines Periskop möglich. Jedoch war das Cockpit geschlossen, ein Novum.
Cockpit «Spirit of St. Louis» Ryan NYP
Bereits vor Lindbergh, 1919, flogen die Briten John Alcock und Arthur Witten Brown erstmals nonstop von Neufundland nach Irland über den Atlantik. Dies in einem zweimotorigen modifizierten Bomber Vickers Vimy IV mit offenem Cockpit. Dabei gerieten sie in Gewitter, Hagel und Schnee. Man kann die Belastungen und Strapazen der Besatzung wohl nur ansatzweise erahnen...
Die Nachkriegs- und Zwischenkriegszeit war unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass die wichtigsten Instrumente für Flüge ohne Sicht entwickelt wurden, damit auch Schlechtwetter- und Nachtflüge möglich wurden, um dadurch zuverlässige regelmässige Flugverbindungen zu realisieren. Insbesondere zeigte sich dieses Erfordernis auch im stark zunehmenden Postflugverkehr, der immer wieder durch schwere Unfälle infolge Sichtverlust erschüttert wurde. Zahlreiche Postflieger mussten dabei – teilweise mehrfach - mit dem Fallschirm (der um 1918 eingeführt wurde) abspringen oder kamen ums Leben.
Es entwickelte sich nun auch die Verkehrsfliegerei in zunehmender Geschwindigkeit, wobei auf deren Cockpitentwicklungen nicht näher eingegangen wird.
Die Erfindung der Kreiselstabilisierung bedeutete die Urform aller Autopiloten. 1914 führte der Amerikaner Lawrence Sperry einen kreiselstabilisierten Doppeldecker in Frankreich an einer Flugschau vor. Bedeutung gewann diese Erfindung aber erst in den Dreissigerjahren. Der Vater von Lawrence Sperry, Elmer Ambrose Sperry, entwickelte den künstlichen Horizont, möglicherweise ist die Erfindung auch seinem Sohn Lawrence zuzuschreiben. Den ersten Instrumentenflug führte 1929 James «Jimmy» Doolittle (s.auch «The Doolittle Raid» WW2) mittels Höhenmesser, Sperrys künstlichem Horizont und einem Kreiselkompass durch. Er wurde dabei von einem Beobachter am Boden über Sprechfunk mittels Funkleitstrahl geführt. Damit standen 1930 alle notwendigen Instrumente für den Blindflug zur Verfügung.
Künstlicher Horizont - Sperry
Dies war von revolutionärer Bedeutung, da der Pilot sich nun - statt auf das bisher so ausschlaggebende eigene Gefühl – vollständig auf technische Instrumente verlassen musste, was durchaus kritisch aufgenommen wurde. Es bedeutete dies einen eigentlichen Paradigmenwechsel. Zivile und militärische Piloten zogen es aber weiterhin vor, unterhalb der Wolken zu fliegen, anstatt diese zu durchfliegen und den Sinkflug ausschliesslich mit Instrumentenreferenzen durchzuführen.
1929 wurde für das Blindflugtraining bereits der «Link Trainer» entwickelt, der erste Flugsimulator, der in der Lage war, Bewegungen um Längs-, Quer- und Hochachse zu simulieren («roll, pitch and yaw»)
Link Trainer
Ab 1930 wurden zunehmend mehr elektrische Systeme in die Flugzeuge eingebaut, was auch auf die Anzahl Schalter und Instrumente einen Einfluss hatte. Wendezeiger und verzögert – infolge geringer Nachfrage (?!) - auch Variometer kamen hinzu. Triebwerksanzeigen wurden fernübertragen im Gesichtsfeld der Piloten installiert. Das Zusammenfassen der wichtigen Instrumente in Gruppen erleichterte das rasche Ablesen und lenkte den Piloten weniger von anderen Aufgaben ab. Die Schnittstellenmechanik erreichte oft komplexes Ausmass, wogegen elektrische Steuerungen einfachere konstruktive Lösungen erlaubten, was auch Einfluss auf die Cockpitgestaltung hatte.
In geschlossenen Cockpits zeigte sich bei der Höhenmessung eine gefährliche Fehlerquelle infolge der statischen Druckabnahme im Cockpit, der reale Druck ausserhalb des Flugzeugs war jedoch höher. Dies hatte zur Folge, dass in der Anzeige zu grosse Höhen vorgetäuscht wurden – mit potentiell fatalen Folgen. Durch Verlegen der Sensoren für den statischen Druck ausserhalb des Cockpits konnte dieses Problem eliminiert werden.
1937 legte die Royal Air Force infolge der entscheidenden Bedeutung für den Piloten eine logische Anordnung von 6 Instrumenten für die Blindflugdurchführung fest.
«Sixpack»
Diese wurde als «Basic Six» bezeichnet und blieb fortan für 20 Jahre Standard für den Instrumentenflug.
Das Basic Six-Instrumentenbrett umfasste folgende Instrumente:
Fahrtmesser, kreiselgestützter künstlicher Horizont, Variometer, Höhenmesser, Kurskreisel, Wendezeiger
Zur Ablesungsverbesserung in der Nacht wurden u.a. passive Beleuchtungsmethoden wie radioaktive Leuchtfarben (Radium) verwendet. Für Flüge bei schlechter oder fehlender Sicht war nebst der Navigation (Funkpeilung) auch die Kommunikation von entscheidender Bedeutung. Bis zum Sprechfunkverkehr (mit dem Boden, mit anderen Flugzeugen) war es jedoch ein weiter Weg hin zur Entwicklung genügend leichter und leistungsfähiger Geräte. Diese hatten einen unwesentlichen Einfluss auf die Cockpitgestaltung. In den USA vollzog sich dieser Prozess etwas schneller und fand bereits in den Zwanziger- und frühen Dreissigerjahren breitere Anwendung.
Passive Piloten-Sicherheitsverbesserungen konnten durch Verwendung feuerfester Materialien realisiert werden, zunehmend gelangten, vor allem im militärischen Bereich, auch Metallplatten zum Einsatz (Pilotenschutz bei Beschuss). Über das einzige, existierende Rettungsgerät, den Fallschirm, waren die Piloten geteilter Meinung. Einige schätzten die zusätzliche Sicherheit, andere wiederum empfanden ihn auf längeren Flügen als starke Sitzkomforteinschränkung und einengend.
Nach dem Krieg gebaute Verkehrsflugzuge wiesen geschlossene Passagierkabinen auf, viele Piloten sassen aber weiterhin bis weit in die Dreissigerjahre hinein im Freien (Junkers F 13, G 24 etc.) mit dem Vorteil der guten Sicht, dafür aber Wind und Wetter ausgesetzt. Schliesslich setzten sich dann aber geschlossene Cockpits endgültig durch, vor allem auch nach den nun instrumentenseitig real gewordenen Blind- und Nachtflugmöglichkeiten. In Deutschland wurden Höhenflugzeuge mit Druckkabinen entwickelt (Junkers EF61, Ju 388, Henschel Hs 130), die Höhen bis 15’ 000 m erreichten, es existierten davon aber nur wenige Exemplare. Insgesamt brachten die Dreissigerjahre, im Gegensatz zur Folgezeit, noch nicht die entscheidenden Veränderungen im Cockpitbereich, die die Pilotenbedürfnisse mehr in den Fokus gerückt hätten.
Fortsetzung folgt!
Text: Dr. Theodor Huber
Bilder: Archiv Fliegermuseum, L.F.E. Coombs (Fighting Cockpits),
Leydhecker (Augenheilkunde),
Boenninghaus (ORL), Internet, Wikipedia,
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Six_flight_instruments.JPG
https://de.wikipedia.org/wiki/Spirit_of_St._Louis
Quellen: M.J. Schuivens (Historische Entwicklung der Cockpitinstrumentierungen), L.F.E. Coombs (Fighting Cockpits), Wikipedia, Thales Cockpits